Wie kommt meine Gruppe zusammen?

Lesedauer 7 Minuten

Eine der größten Herausforderungen für eine neue Spielrunde ist der Einstieg. Das gilt nicht nur für Spieler, die das erste Mal spielen, sondern für jeden Einstieg mit einer Gruppe von frischen Charakteren. In manchen Kampagnen sind die Umstände des Kennenlernens vorgeschrieben, manche Runde startet immer in einer Taverne und bei anderen erzählen die Biogeographien der Charaktere bereits eine gemeinsame Geschichte.
In diesem Beitrag wollen wir euch den klassischen Einstieg mit seinen Vor- und Nachteilen vorstellen und dann ein paar Vorschläge machen, wie man gerade in in fortgeschrittenen Runden mehr Abwechslung in das Kennenlernen der Abenteurer bringen kann und warum der Einstieg bereits so wichtig für den späteren Verlauf des Gruppengefüges wichtig ist.

Wie man generell einen guten Einstieg in ein Abenteuer findet, behandeln wir in einem anderen Beitrag.

1. Der Klassiker: Die Taverne

Diesen Klassiker der Rollenspielwelt gibt es natürlich bereits in zahlreichen Serien, Filmen und Büchern. Das in der Fantasywelt wohl berühmteste ist das Gasthaus Zum Tänzelnden Pony aus Der Herr der Ringe, das wohl spätestens mit den Peter Jackson Filmen mit seinen düsteren Gesellen und großen Bierhumpen der Traum vieler Rollenspieler geworden ist. Wirklich jeder kennt natürlich außerdem die Mos Eisley Cantina auf Tatooine und bei der Erwähnung habe ich jetzt auch schon wieder einen Ohrwurm…

Einen besonders starken Einfluss von Fantasy-Rollenspiel bezüglich Tavernen sieht man in Mangas und Animes. So ist der Protagonist Leonidas der Seven Deadly Sins Tavernenbesitzer und die eher anrüchige Taverne Ale & Eats spielt eine zentrale Rolle im erotischen Manga Interspecies Reviewers. Besonders in letzterer werden Aufträge an Abenteurer vergeben und damit sind wir dann auch schon am Kern der ganzen Sache.

Eine Taverne ist der beste Ort für Abenteurer ihr Gold auszugeben und gleichzeitig welches zu verdienen.

Eine Taverne bietet so ziemlich alles, was das Herz begehrt und das gilt nicht nur für die Abenteurer, sondern auch für ihre Spieler. Mit gutem Essen und kühlen Getränken Geschichten am Feuer zu erzählen und dabei der Musik eines Barden zu lauschen ist sicherlich ein Erlebnis, das die meisten Freunde der Fantasy zu schätzen wüssten. Im Rollenspiel übernimmt die Taverne (das Gasthaus, die Wirtschaft oder wie auch immer man die Einrichtung bezeichnen mag) meistens neben der Gemütlichkeit einige wichtige Funktionen. Sie dient dazu an Informationen zu kommen, Gerüchte aufzuschnappen, für soziale und körperliche Auseinandersetzungen und schließlich als Ausgangspunkt für viele Abenteuer.

Für unseren Fall ist die Taverne zusätzlich der Ort der ersten Zusammenkunft der bunten Abenteurertruppe. Eine Kriegerin, ein Magier, ein düsterer Zwerg und eine Elfe hat es jeden aus verschiedenen und eigenen Gründen an diesen Ort verschlagen. Da kommt ein reitender Bote des Königs, verkündet ein Kopfgeld auf den Oger, der die Straßen unsicher macht und weil so ein Oger gemeinsam doch irgendwie leichter zu töten ist als im Alleingang, schließen sich die vier zu einer Gruppe zusammen. Aus der Zweckgemeinschaft werden womöglich Kampfgefährten und Freunde und man erlebt viele Abenteuer. So, oder so ähnlich beginnen wohl viele Runden und wenn eine Party länger besteht, dann fragt spätestens nach dem dritten oder vierten Spieleabend auch niemand mehr nach dem einfallslosen Zustandekommen der Gesellschaft.

Wenn es sich wirklich um die allererste Runde dieser Spieler handelt, dann spricht sicherlich nichts gegen so einen Einstieg. Es lässt sich hervorragend eine Atmosphäre aufbauen, die Spieler können ihren Charakter beschreiben und die ersten sozialen Interaktionen ausspielen. Gleichzeitig bietet die Taverne einen Raum, der für alle leicht vorstellbar ist und der Spielleiter kann mit Hilfe von Film- oder Videospielreferenzen schnell ein gutes Bild in den Köpfen der Spieler erzeugen. Vielleicht wird es auch die Stammkneipe der Gruppe, in der sie von nun an ihre Beute vertrinken. Es spricht also grundsätzlich nichts gegen so eine schöne (oder schäbige) Taverne als Mittel des Zusammenkommens.

Sobald eine Spielergruppe allerdings bereits den ein oder anderen Charakter gespielt hat, wird das Schema von ‚ich geh in die Taverne, da treffe ich dann ja „zufällig“ andere Abenteurer‘ doch ziemlich vorhersehbar und langweilig.

2. Der andere Klassiker: Heldenaufruf

Eine andere besonders in käuflichen großen Kampagnen beliebte Methode, um eine Gruppe zusammenzustellen, ist der Heldenaufruf. Es handelt sich vielleicht um die „billigste“ Art und Weise, funktioniert aber immerhin bis zu einem gewissen Punkt. Eigentlich ist dieses Szenario dem der Taverne sehr ähnlich, aber ohne Atmosphäre, entspanntes Vorstellen der Charaktere und natürlich Bier. Und im Grunde gibt es hier auch noch einmal zwei Optionen: ein Ausrufer reitet durch die Lande und wirbt Recken an, oder der Fürst sammelt alle Helden auf dem Marktplatz und verkündet den Preis von 1000 (in Worten: Eintausend!) Goldtalern für denjenigen, der ihm die bösen Orks vom Halse schaffe. Während die erste Variante durchaus auch mit der Taverne kombinierbar ist, geht es in der zweiten Variante in medias res, also direkt und ohne Umschweife zur Sache.

Der Heldenaufruf macht die Abenteurer ebenfalls zur Zweckgemeinschaft. Sie müssen sich erst kennenlernen, sich lernen zu vertrauen und vielleicht Freunde werden. Das mag grundsätzlich nicht schlecht sein, insbesondere wenn die Spieler am Tisch sich gegenseitig auch noch nicht kennen; mit der Ausnahme, dass die Geschichte einer Kampagne oder ein Charakterkonzept die Unbekanntheit vorsieht, können wir allerdings gerade unerfahrenen Spielleitern vom Heldenaufruf als Gruppenzusammenfindung nur abraten.

3. Schicksal oder Zufall?

Eine Grundsätzliche Frage, die man sich als Spielleiter oder aber auch als Rollenspielrunde insgesamt fragen kann, ist: warum kommen diese Abenteurer zusammen? Ist es einfach Zufall, dass sie dem selben Heldenaufruf gefolgt sind oder ist es Schicksal, dass sie zusammengefunden haben? Das hängt natürlich zum einen vom Charakterkonzept des Einzelnen ab, aber vor allem von der Geschichte, die der Spielleiter erzählen möchte. Geht es nur darum den örtlichen Bauern gegen Strauchdiebe zu helfen, das kann ein zusammengewürfelter Trupp genauso wie die Schicksalsgemeinschaft. Geht es allerdings um die Rettung der Königsreiches oder der Welt und sind vielleicht höhere Mächte involviert, dann war es womöglich Fügung, dass ausgerechnet diese Helden eine Gruppe gebildet haben.

So eine Schicksalsgemeinschaft bietet enorme Vorteile für größere Kampagnen, ist aber selbstverständlich auch nicht frei von Gefahren. Im Grunde gibt es drei Vorteile:

1. Zusammenhalt

Ob die Gruppe will oder nicht, sie müssen für das höhere Ziel zusammenhalten. Das bedeutet vollkommen unabhängig von der Vorgeschichte gibt es einen Grund, warum die Gruppe zusammenhält und dieser Zweck ist nicht ganz so simpel wie einem Oger den Kopf abzuhauen.

Ein Aspekt des Zusammenhalts, der vielleicht nicht immer wichtig ist, kann aber sicherlich für die ein oder andere Gruppe dennoch sinnvoll sein. Der auferlegte Zusammenhalt kann Gruppeninterne (ingame) Zwistigkeiten auf ein Maß reduzieren, so dass es nicht die gesamte Gruppe auseinander reißt. Die betroffenen Spieler selbst wissen, was auf dem Spiel steht und können mit Blick auf das Ziel von ihren Gruppenkameraden auch ermahnt werden sich zu mäßigen. Und wer jetzt nicht weiß, wovon hier die Rede ist: Glückwunsch, du hast ein Problem weniger als andere 😉 (zu toxischem Verhalten in der Spielrunde gibt es einen anderen Beitrag).

2. Wirklich heldenhaft

Die meisten, die Pen&Paper Spielen, wollen gerne auch mal einen Helden spielen. Und wer wäre ein größerer Held als jemand, den das Schicksal auserkoren hat die Welt zu retten? Das mag jetzt profan klingen, aber es stellt einen Antrieb, eine Motivation für den Charakter dar. Nicht wenige Spieler, die schon lange spielen, viele Charaktere und verschiedene Systeme gespielt haben, wollen nicht unbedingt Helden sein. Sie suchen andere Herausforderungen. Aber nicht nur viele Systeme wie Das Schwarze Auge und Dungeons & Dragons basieren auf Heldentum, sondern gerade Neulinge erfreuen sich daran in der Heldenrolle aufzugehen. Und mal ganz ehrlich, das ist doch wirklich nichts Verwerfliches.

3. Spielleiterhilfe

Der dritte Vorteil ist nicht wirklich für die Spieler. Denn das Schicksal, das die Abenteurer lenkt, ist nun einmal in der Spielrunde der Spielleiter. Für diesen kann es sich um ein gutes Werkzeug handeln, das er aber mit Vorsicht verwenden sollte. Gerade wenn eine größere Kampagne gespielt wird, kann er seine Gruppe immer wieder an das Ziel erinnern, wenn sie es gerade einmal wieder spannender finden ein Wetttrinken zu veranstalten, anstatt sich weiter auf die Suche nach dem heiligen Schwert zu begeben, dessen Vorbereitung viele Stunden gekostet hat. Es ist aber ein zweischneidiges Schwert (also das Schicksal, das heilige aber sicherlich auch), denn die Spieler sollten nicht das Gefühl bekommen, dass ihnen der Handlungsspielraum verloren geht.

Und damit wären wir bei den Problemen, wenn das Schicksal unsere Helden in der Hand hat. Das besondere am Pen & Paper-Rollenspiel gegenüber dem besten Videospiel ist, dass man als Spieler eigentlich völlige Handlungsfreiheit hat. Wenn der Spielleiter aber immer nur eine Richtung zulässt und die Geschichte dadurch vielleicht sogar Logiklöcher bekommt, dann spricht man von Railroading, die Spieler fühlen sich wie auf Zugschienen, ohne die Möglichkeit selbst zu entscheiden ob sie abbiegen oder wo sie anhalten wollen. Ein zweites Problem mit dem Schicksal ist, was passiert, wenn das Schicksal erfüllt ist? Vielleicht ist die Kampagne darauf ausgelegt, dass mit ihrem Ende auch das Ende der Charaktere gekommen ist. Aber vielleicht haben die Spieler ihre Helden auch so lieb gewonnen, dass sie die Gruppe weiterspielen wollen.

Schicksal als Binde- und Triebmittel ist also mit Vorsicht zu genießen, aber besonders für unerfahrene Spielleiter ist es wirklich eine gute Methode.

4. Die Vorgeschichte

Ein guter Weg Gemeinsamkeiten von Charakteren zu schaffen, ist ihre Vorgeschichte. Zu Charakterkonzepten an sich wird es an anderer Stelle noch mehr geben, hier geht es konkret darum, wie und warum Helden sich bereits vor der ersten Runde kennen.

Sehr einfach aber auch eher unschön ist die Möglichkeit, einfach festzulegen, dass die Heldengruppe bereits existiert und schon einige Abenteuer zusammen bestritten hat. Wenn die Hintergrundgeschichte dazu aber nicht plausibel ist, z.B. alle kommen aus dem gleichen Dorf oder man hat vorher zusammen in einer Söldnertruppe gedient, bleibt trotzdem ein komisches Gefühl, dass etwas verpasst wurde. Auch wird so mit dem Vorstellen und Kennenlernen der Charaktere ein wichtiger Moment genommen der auch die Position des Einzelnen in der Gruppe beeinflusst und wichtig für das Gruppengefüge ist.

Wenn die Gruppe sich allerdings bei der Charaktererstellung bereits Gedanken macht, kann die Vorgeschichte von zwei, drei oder auch allen Beteiligten miteinander verwoben werden. Es reicht dann aber nicht einfach zu sagen die kennen sich, sondern es muss eine plausible Geschichte erzählt werden, die auch das Verhältnis der Beteiligten zumindest vor der ersten Runde klarstellt. Das kann eine Herr-Diener-Beziehung sein, familiäre Bande, sogar Erzfeinde oder eben eine ganze Söldnertruppe. Das ist freilich meistens nur dann denkbar, wenn sich die Spieler bereits kennen und gut miteinander auskommen und sollte auch nicht aufgedrückt werden.

Wenn sich bereits ein Teil der Gruppe kennt, wird es einfacher die Gruppe zusammenzuführen und einen Zusammenhalten zu erzeugen, vorausgesetzt die sich bereits bekannten Abenteurer kapseln sich nicht vom Rest ab.

5. Kreative Szenarien

Für erfahrende Spielleiter und Spieler gibt es allerdings eine fast unendliche Zahl an Möglichkeiten dass eine Heldengruppe zusammenkommt: Sie können aus verschiedenen Gründen an einer Hochzeit teilnehmen, ein Volksfest besuchen, sich auf der Überfahrt über ein Meer auf dem selbem Schiff einquartiert haben, als Teilnehmer eines Turnieres antreten, sich alle als Liebhaber der gleichen Person herausstellen (geteiltes Leid ist halbes Leid) oder einfach alle den selben Barbier haben. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt und je nach Setting und Gruppe können sich vollkommen neue Szenarien anbieten.

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